Ich habe gestern im Kulturkompass-MV eine Zusammenfassung zu einem kürzlich veröffentlichten Text zur Situation in den USA veröffentlicht, die hier in ungekürzter Fassung (sowie mit einem zusätzlichen Kommentar) folgt.

In der März-Ausgabe der Blätter für deutsche und internationale Politik ist in deutscher Übersetzung ein Beitrag der Politikwissenschaftler Steven Levitsky und Lucan A. Way enthalten, den diese am 11. Februar 2025 in Foreign Affairs veröffentlicht hatten. Mit seinem Titel wird bereits Wesentliches vom Inhalt angedeutet: „Der Staat als Waffe: Trumps kompetitiver Autoritarismus“.

Darin erläutern die Autoren ihre Vorstellungen, worauf der von manchen als Staatsstreich titulierte Prozess hinauslaufen wird, der seit der Amtsübernahme von Trump am 20. Januar 2025 „Schockwellen“ sowohl durch die USA als auch über den Globus geschickt hat. Levitsky & Way gehen davon aus, dass Trump im Unterschied zu seiner ersten Amtszeit sehr gut vorbereitet in die autoritäre Umgestaltung der amerikanischen Demokratie geht. Dass diese „zusammenbrechen“ werde, sehen die Autoren als wahrscheinlich an, jedenfalls in dem Sinne, „dass sie nicht länger die üblichen Kriterien für eine liberale Demokratie erfüllt: vollständiges Wahlrecht für Erwachsene, freie und faire Wahlen sowie umfassender Schutz bürgerlicher Freiheiten“ (S. 47).

Es werde andererseits wohl nicht zu einer „klassischen Diktatur“ kommen, auch eine „faschistische oder Einparteiendiktatur“ sei nicht zu erwarten (a.a.O.). Stattdessen laufe alles auf „kompetitiven Autoritarismus“ hinaus. Dabei handelt es sich um eine Machtstruktur, bei der die Demokratie und Wahlen erhalten bleiben, einschließlich der Möglichkeit eines Machtwechsels durch Wahlen. Wer darin allerdings schon einen Grund zum Aufatmen sieht, weil es so schlimm dann anscheinend doch nicht werde, der irrt sich leider. Denn im kompetitiven Autoritarismus findet zwar noch ein an Demokratie erinnernder Wettstreit um die Gunst der Wähler und um die Macht statt. Die Bedingungen dieses Wettstreits sind allerdings nicht mehr fair: „Politik wird dann zu einem Fußballspiel, in dem die Schiedsrichter, die Platzwarte und die Anzeigetafel einem Team dabei helfen, seinen Rivalen zu sabotieren“ (S. 49).

Denn den Staat zur Waffe (gegen die Opposition) zu machen, bedeutet unter anderem, gegen missliebige Politiker, Journalisten, NGOs oder wen auch immer zum Beispiel Ermittlungen einzuleiten, seien es juristische oder Steuerermittlungen, die selbst dann deutliche Spuren hinterlassen, wenn sie am Ende im Freispruch enden. Wirkung zeigen solche Maßnahmen nicht nur bei den unmittelbar davon Betroffenen, sondern auch bei den Zuschauern. Die sollen die Lektion lernen, sich lieber nicht mit der Macht anzulegen. Auch andere Institutionen können zur Waffe umfunktioniert werden, etwa das Bildungsministerium, um Wissenschaftler oder die Studentenschaft auf Linie zu bringen. Auch Mitarbeiter in Behörden, die eigentlich zum überparteilichen Funktionieren der Gesellschaft sorgen, können zur autoritären Umstrukturierung des Staats durch loyale (parteiische) Gefolgsleute ausgestauscht werden. Die eben erwähnte gute Vorbereitung Trumps für seine zweite Amtszeit sei auch daran zu erkennen, so Levitsky & Way, dass schon jetzt „eine Armee von bis zu 54000 Loyalisten“ ausgewählt seien und bereitstünden, um solche frei geräumten Posten übernehmen zu können (S. 50).

Die Autoren sehen in der Türkei, in Ungarn oder in Venezuela ähnliche Entwicklungen einer undemokratischen Zementierung der (demokratisch erlangten) Macht. In solchen Ländern seien unter einer oberflächlich erhalten gebliebenen Demokratie („freie“ Wahlen) autoritär-autokratische Strukturen umgesetzt – und mit ihnen liberale Strukturen ausgehebelt.

Dass selbst sehr mächtige Player durch einen derart zur Waffe umfunktionierten Start in die Knie gezwungen werden können, illustrieren Levitsky & Way am Beispiel der Türkei. Dort hätte Präsident Erdogan die Dogan Yayin-Mediengruppe, „deren Zeitungen und TV-Kanäle über Regierungskorruption berichteten, mit Anklagen wegen Steuerhinterziehung und mit einer erdrückenden Strafe in Höhe von 2,5 Milliarden US-Dollar völlig zerstört. Die Dogan-Familie sah sich gezwungen, ihr Medienimperium an Spießgesellen der Regierung zu verkaufen“ (S. 51). In einem anderen Fall habe Erdogan ebenfalls Steuerermittlungen benutzt, um die Koc-Holding unter Druck zu setzen, den größten Industriekonzern der Türkei, damit dessen Unterstützung für oppositionelle Parteien aufhöre.

Da Trump ebenso wie einige seiner Mitläufer, die er nun auf hohe Posten gesetzt hat, schon vor der Wahl verkündet hatten, dass man nach der Wahl unerbittlich gegen Personen vorgehen werde, die vorher gegen Trump und seine Machenschaften ermittelt hatten, muss man auf Schlimmes in der näheren Zukunft gefasst sein. Es werden Exempel statuiert werden, um die kritische Öffentlichkeit insgesamt einzuschüchtern.

Dennoch sehen Levitsky & Way für die liberale Demokratie in den USA bessere Chancen als für die eben erwähnten Länder. Denn es seien die demokratischen Institutionen und Traditionen in den USA wesentlich gefestigter. Außerdem hänge das Potenzial des autoritären Durchregierens und der weitgehenden Entkernung von Demokratien stark von der Popularität des jeweiligen Autokraten ab. Und hier stehe Trump, der nie über 50% Zustimmung hinausgekommen sei, wesentlich schlechter da als etwa Maduro oder Erdogan zu Beginn ihrer jeweiligen autoritären Machtphase.

Kommentar:

Der Beitrag verdeutlicht, was der Politikwissenschaftler L.M. Bartels bereits im letzten Jahr hervorgehoben hatte, als er unter dem provozierenden Stichwort des „Populismus als Phantom“ das Augenmerk darauf richtete, dass nicht die dramatische Änderung von Einstellungen in den Bevölkerungen das eigentliche Problem seien, denn diese gebe es in der großen Ausprägung gar nicht, sondern vielmehr seien es die „Eliten“, die sich der Stimmungslagen zu ihrem Vorteil bedienen würden: „Der zunehmend hemmungslose Kampf um die Macht unter den Eliten, nicht der Populismus, stellt die größte Bedrohung für die Demokratie in den USA und anderswo dar“, denn diese Eliten benutzen populistische Stimmungslagen, um ihre eigene Machtposition so zu festigen, dass sie gegen Entmachtung durch Wahlen, also gewissermaßen das Kerngeschäft von Demokratie, zukünftig gefeit sind. (zit.n. Larry M. Bartels: The Populist Phantom. Threats to Democracy Start at the Top. Foreign Affairs, 22.10.2024; eigene Übersetzung; mehr zu dem Beitrag von Larry Bartels findet man hier).

Steven Levitsky & Lucan A. Way
Der Staat als Waffe: Trumps kompetitiver Autoritarismus
Blätter für Deutsche und Internationale Politik, Nr. 3, S. 47-58, 2025.

Wer die vollständige Fassung dieses lesenswerten, wenn auch nicht stimmungsaufhellenden Textes (12 Seiten) bekommen möchte, findet diese (für 3,- €) auf der Seite der BLÄTTER.