In Corona-Zeiten informiert uns die Presse täglich über die aktuellen Fallzahlen. Wir erfahren, wie viele Fälle insgesamt in Deutschland erkannt wurden, wie viele Menschen gestorben und wie viele genesen sind. Auch die neuen Fälle seit dem Vortag werden mitgeteilt. Doch wie sollen die Bürger erkennen, wie das aktuelle Infektionsgeschehen in ihrer Stadt oder in ihrem Landkreis ist? Wie können sie beurteilen, ob die Lage entspannt ist oder besorgniserregend, und welche Konsequenzen für das eigene Handeln zu ziehen sind?

Im Kontrast zum Wetterbericht wird klar: diese Corona-Zahlen sind vergleichbar mit einer Information darüber, wie viel Regen in ganz Deutschland im aktuellen Jahr bzw. seit gestern gefallen ist oder wie viele Gewitter und Sonnenstunden insgesamt in den letzten Monaten registriert wurden. Aus solchen Wetter-Zahlen kann man nicht darauf schließen, ob man heute beim Einkaufen besser einen Regenschirm mitnehmen sollte.

Diese summarischen Corona-Zahlen in der Presse nützen kaum etwas. Stattdessen brauchen wir einen Corona-Wetterbericht: er soll die aktuelle Lage in der Region und bundesweit beschreiben und gegebenenfalls eine Warnung herausgeben, dass sich etwas zusammenbraut und die Bürger Vorkehrungen treffen müssen.

Die Instrumente zur Verbreitung gibt es bereits. Das Robert-Koch-Institut könnte auf seiner Internet-Seite zusätzlich das “Corona-Warnwetter” präsentieren. Und die Smartphone-App NINA (Notfall-Informations- und Nachrichten-App) vom Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe könnte für jede Region, die der Nutzer ausgewählt hat, die aktuellen Informationen anzeigen.

Nicht ganz so einfach ist es, geeignete Kennzahlen zu finden, die verständlich und aussagekräftig sind. Die Gesundheitsämter und das RKI präsentieren bereits die erfassten Parameter im Internet in ausführlichen Lageberichten. Daraus müssten sie eine Essenz bereitstellen, damit die Presse das Infektionsgeschehen kurz und knapp widergeben kann.

Dazu möchte ich ein paar Vorschläge machen und beschreiben, woran ich mich selbst orientiere. Über Kommentare und Ideen würde ich mich freuen!

Ich stelle mir einen Kurzbericht für drei Ebenen vor: Stadt / Landkreis, Bundesland und Deutschland. Neben Zahlen und Grafiken präsentiert die Zusammenfassung jeweils eine Ampel, so dass man sofort erkennt, wie die Lage einzuschätzen ist.

Für den eigenen Stadt- oder Landkreis könnte man folgende Zahlen anzeigen:

Datum24.7.23.7.22.7.17.7.10.7.
Stadt/ Landkreis: Schwerinheutegesternvor- gesternvor 7 Tagenvor 14 Tagen
Neu gemeldete Fälle seit gestern92100
Aktuell Erkrankte (nicht genesen, nicht verstorben)123100
Summe der neuen Fälle der letzten 1-7 Tage123100
Summe der neuen Fälle vor 8-14 Tagen00000

Die der Tabelle zugrundeliegenden Daten habe ich fortlaufend dem Dashboard des RKI entnommen. Am 22.7.2020 wurde aus Schwerin nach wochenlanger Pause wieder ein neuer Corona-Fall übermittelt. Einen Tag später noch ein weiterer und am 24.7. kamen neun weitere Fälle hinzu. Ein infizierter Mann hatte Kollegen und seine Familie angesteckt, und ein Reiserückkehrer und zwei seiner Kinder waren erkrankt. Diese Personen waren noch nicht genesen. Den starken Anstieg der Fallzahl kann man aus der Tabelle ablesen. Hinzufügen könnte man noch, wie viele Menschen mit Covid-19 in der Klinik behandelt werden müssen.

Für die Situation im eigenen Bundesland gibt es in Mecklenburg-Vorpommern eine schöne Grafik, die das Landesamt für Gesundheit und Soziales in seinem werktäglichen Lagebericht bereitgestellt.

Hier die Abbildung mit Stand 31.7.2020

Man erkennt auf der Landkarte das Bundesland mit seinen acht Kreisen und die jeweilige Aktivität des Infektionsgeschehens innerhalb der letzten 7 Tage. Dabei sind nicht die absoluten Fallzahlen der Infizierten abgebildet, sondern die Fallzahlen der letzten Woche in Relation zur Einwohnerzahl, und zwar bezogen auf 100.000 Einwohner des jeweiligen Kreises. So berücksichtigt man die regional unterschiedlichen Bevölkerungszahlen.

Es ist gut erkennbar und auch farblich hervorgehoben, dass der Schwerin benachbarte Kreis Ludwigslust-Parchim mit 6,6 Infizierten pro 100.000 Einwohner deutlich stärker betroffen ist als der Landkreis Nordwest-Mecklenburg mit 0,6 Infizierten pro 100.000 Einwohner. Bei den Bewohnern von Vorpommern-Rügen wurden in den letzten 7 Tagen keine neuen Corona-Fälle verzeichnet (an dieser Stelle sei angemerkt, dass nicht der Ort der Diagnose registriert wird, sondern der Wohnort des Betroffenen, so dass ein frisch erkrankter Rügen-Urlauber aus Bayern in dieser Grafik nicht berücksichtigt wird).

Für die Beschreibung der Lage in Deutschland verwendet das RKI dieselbe Kennzahl, nämlich die innerhalb der letzten 7 Tage neu als Corona-infiziert erkannten Menschen, bezogen auf 100.000 Einwohner. Diese stellt das Robert-Koch-Institut im Lagebericht in einer grafischen Übersicht für ganz Deutschland und die 15 Bundesländer bereit, und zwar im Verlauf über die vergangenen 4 Wochen:

Die dicke orangefarbene Linie zeigt den Gesamtwert für Deutschland am 31.7.2020. Er war von Ende Juni bis Mitte Juli leicht rückläufig und steigt seitdem wieder deutlich an. Nordrhein-Westfalen, die obere, lilafarbene Linie, hat seit zwei Wochen die höchste Inzidenz mit stark steigender Tendenz. Dagegen ist in Sachsen die Lage kaum verändert (an dieser Grafik verbesserungswürdig ist die farbliche Markierung, denn die Linien sind den Bundesländern teilweise schwierig zuzuordnen).

Zusätzlich schaue ich täglich im RKI-Lagebericht nach der Zahl der kreisfreien Städte und Landkreise in Deutschland, die in den letzten 7 Tagen keine neuen Fälle registriert haben. Am 31.7.20 betraf dies nur 76 Kreise, während es eine Woche vorher noch 88 und zwei Wochen zuvor noch 105 Kreise gewesen waren. Da es in Deutschland 294 Landkreise und 107 kreisfreie Städte gibt, ist aktuell nur noch jeder 5. Kreis Corona-frei. Der beste Wert wurde am 17.6.20 verzeichnet, mit 156 Kreisen ohne neuen Corona-Fall. Interessant ist auch die Zahl der aktuell Erkrankten, also nicht genesenen und nicht verstorbenen Menschen (die man derzeit noch selbst ausrechnen muss): am 31.7.2020 galten in Deutschland 7.257 Personen als Corona-erkrankt, während es 7 bzw. 14 Tage zuvor nur 5.572 bzw. 4.861 gewesen waren. Die Erkrankten nahmen also in den letzten zwei Wochen um 49% zu.

Diese drei Perspektiven, Stadt, Bundesland und Bundesrepublik, würden im „Corona-Wetterbericht“ dargestellt. Sie weisen auf denselben Sachverhalt hin: die Corona-Epidemie nimmt wieder an Fahrt auf, und zwar in meiner Stadt, im Bundesland und deutschlandweit. Im Ampelsystem stünden die Ampeln wieder auf Gelb.

Zusätzlich würde ein kurzer Text die Interpretation der Lage darstellen. Hinzufügen sollte man Konsequenzen für die Bevölkerung, etwa „Jetzt wieder besonders wichtig: Abstand halten und konsequent Masken tragen, auch draußen im Gemenge“.

Bei alledem darf man nicht vergessen, dass die Zahlen, so aktuell sie auch scheinen, das Infektionsgeschehen vor ein bis zwei Wochen wiedergeben. Denn zwischen der Ansteckung mit dem Coronavirus und der Meldung durch die Behörden vergehen viele Tage.

Aus einem „Corona-Wetterbericht“ können die gut informierten Bürger auch eigene Konsequenzen ableiten. Sie könnten im Alltag noch aufmerksamer sein und genau überlegen, welche Risiken sie eingehen möchten. Ist das Treffen mit dem Verein wirklich nötig? Muss ich zum Seminar mit 20 Personen in eine andere Stadt fahren? Können wir unsere private Feier verschieben oder sie wenigstens so gestalten, dass das Infektionsrisiko minimiert wird?

Die Bürger dürfen sich nicht darauf verlassen, dass alles, was der Staat nicht verboten hat, ungefährlich ist. Es geht ja nicht nur um sie selbst oder die eigene Familie. Sondern es bedarf erneut einer gemeinschaftlichen gesellschaftlichen Anstrengung, die Epidemie in Schach zu halten.