Das Coronavirus SARS-CoV-2 wird von Mensch zu Mensch übertragen, wie andere Atemwegsinfekte auch. Tückischerweise können auch Personen ohne Schnupfen, Husten oder Fieber ansteckend sein. Das macht die Bekämpfung der Epidemie besonders schwer. Jeder kann für den anderen eine Infektionsgefahr darstellen, ohne es zu wissen. Die Beschränkung von Kontakten untereinander ist daher eine einleuchtende Maßnahme, die in den letzten Wochen wieder von vielen Regierungen verordnet werden musste.

Das Infektionsrisiko für jede einzelne Person innerhalb einer Gruppe hängt davon ab, wie viele Menschen sich treffen. Treffe ich mich mit drei anderen Personen aus unterschiedlichen Haushalten, könnte mich theoretisch jede der drei anderen Personen infizieren (oder ich sie). Wäre die Gruppe größer und umfasste 9 Personen, könnten mich 8 andere Personen anstecken.

In einer Pandemie nimmt die Bedeutung der Gruppengröße noch eine ganz andere Dimension an. Aus der Perspektive der öffentlichen Gesundheit kommt es darauf an, wie viele Ansteckungsmöglichkeiten insgesamt sich in der Gruppe ergeben. Bei vier Personen kann jeder Einzelne drei andere anstecken, also gibt es 4 x 3 = 12 Ansteckungswege. Eine Gruppe von 9 Personen führt zu 9 x 8 = 72 Möglichkeiten.

Eine interaktive Grafik der Humboldt-Universität hat diese Überlegungen sehr schön visualisiert:

Ansteckungswege bei Vierer- und Neuner-Gruppen.
Quelle: Visualisierung der Humboldt-Universität

Treffen sich 36 Personen, ergeben sich sogar 1.260 mögliche Ansteckungswege, nach der Formel Personenzahl x (Personenzahl minus 1), also 36 x 35 = 1260. Obwohl sich dabei nur 9mal mehr Personen treffen als bei einer Gruppengröße von vier, gibt es 105mal mehr Ansteckungswege.

Aus diesen Überlegungen ergibt sich umgekehrt, welch enormen Effekt man erzielen kann, wenn man eine große Gruppe teilt. Beispiele dafür sind kleinere Lerngruppen in Schulen oder die Einteilung von Mitarbeitern in feste Teams am Arbeitsplatz.

Würde man die große Gruppe von 36 Personen in neun Vierer-Gruppen aufteilen, ergibt sich folgendes Bild:

Effekt der Gruppenverkleinerung. Quelle:
Visualisierung der Humboldt-Universität

Neun kleinere Gruppen mit je 12 Infektionswegen ergeben 9 x 12 = 108 Ansteckungswege. Gegenüber der 36er Gruppe sind das 1.152 Ansteckungsmöglichkeiten weniger, also eine Reduktion um 91,4% beziehungsweise auf ein Neuntel. Je mehr Menschen sich treffen, desto größer ist das Risiko für einen Ausbruch.

Die amerikanische Seuchenschutzbehörde CDC hat in einer bewundernswert akribischen Aufarbeitung die Infektionsketten dargestellt, die sich nach einer einzigen Feier ergeben können. In einer kleinen Stadt in Maine, die bisher keine Corona-Fälle hatte, führte eine Hochzeitsfeier mit „nur“ 55 Gästen zu 30 direkten Ansteckungen und zu 27 Infektionen von Kontaktpersonen, die nicht am Fest teilgenommen hatten. Davon mussten vier Infizierte im Krankenhaus behandelt werden und eine Person starb an COVID-19. Nachdem sich die Infektionsketten weiter ausgebreitet hatten, wurden auch 38 Fälle in einem Pflegeheim und 82 Erkrankte in einer Justizvollzugsanstalt auf die Hochzeitsfeier zurückgeführt. Insgesamt resultierten also 177 Fälle, einschließlich 7 Verstorbene.

Der konsequenteste Weg, das Infektionsgeschehen in den Griff zu bekommen, wäre daher, wenn jeder seine eigenen Kontakte auf ein Mindestmaß reduzieren könnte. Vor wenigen Tagen mahnte der österreichische Kanzler Sebastian Kurz beim Verkünden eines erneuten harten Lockdowns sogar: „Treffen Sie niemanden! Jeder soziale Kontakt ist einer zu viel.“

Zusammenfassend liegt in diesen Zahlenrelationen ein wesentlicher Grund dafür, warum in Deutschland die Teilnehmerzahlen für private Feiern, Konzerte oder Sportveranstaltungen beschränkt werden. Das Risiko für ein Ausbruchsgeschehen ist bei großen Veranstaltungen bedeutend höher als bei kleinen Events.