In diesem Frühjahr hat eine Autorengruppe, bestehend aus den Beiräten und Vorständen der Arbeitsgemeinschaft Psychoonkologie (PSO) der Jahre 2016-2020 in der Zeitschrift Der Onkologe einen Vorschlag zur Abschätzung des Personalbedarfs veröffentlicht, der die Versorgung im Krankenhaus auf eine solide und empirisch unterfütterte Grundlage stellen sollte. Er unterscheidet zwischen Bereichen (Entitäten, also Krebserkrankungen) mit durchschnittlich moderatem psychoonkologischen Versorgungsbedarf (Haut, Prostata) und solchen mit durchschnittlich hohem Versorgungsbedarf (alle anderen). Nicht unterschieden wird hingegen nach dem Prinzip der psychoonkologischen Versorgung, also ob eher angelehnt an das Liaisonmodell gearbeitet wird, bei dem die jeweligen Mitarbeiter vor Ort, also auf der jeweiligen Station, eingesetzt sind und wirken, oder eher angelehnt an das Konsiliarmodell, wo sie selektiv zu dem jeweils in Frage stehenden Patienten gerufen werden. Dieses Manko des veröffentlichten Vorschlags ist nicht unbedeutend, denn schon in der einzigen (!) empirischen Studie zum Leistungsvolumen einer psychoonkologischen Vollzeitkraft im Krankenhaus war eingeräumt worden, dass deren Zahlen nur für die Versorgung nach dem ersten Modell aussagekräftig seien, während für die Versorgung nach dem Konsiliarmodell mutmaßlich andere Ergebnisse zu erwarten seien.
Dass überhaupt die Frage, wie viel Personal es braucht, um eine ausreichende Versorgung zu gewährleisten, so lange unbeantwortet geblieben ist (und die Beantwortung sich auf gerade eine Studie stützen muss), wirft ein merkwürdiges Licht auf die deutsche Psychoonkologie, was mich veranlasst hat, in einem Leserbrief auf gravierende Versäumnisse hinzuweisen und in einer Streitschrift mögliche (unbequeme) Gründe für diese sonderbaren Versäumnisse zu postulieren.
Auch mit dem Entwurf der Vorstände der PSO zur Personalabschätzung habe ich mich kritisch befasst, wobei neben dem eingangs erwähnten Manko der fehlenden Berücksichtigung des Organisationsprinzips psychoonkologischer Arbeit leider noch viele weitere Schwächen zu beklagen waren (siehe meinen Blogeintrag vom 12. Juli 2020).
Ich wollte aber nicht nur als lästiger “Kritikaster” wahrgenommen werden, sondern habe auch einen eigenen Vorschlag verfasst, wie man zu in meinen Augen vernünftig(er)en Anhaltszahlen zum Personalbedarf gelangt. Dieser Vorschlag wurde weder in einer von mir ausgewählten onkologischen Zeitschrift zur Veröffentlichung akzeptiert, noch in einer psychologischen Fachzeitschrift, die regelmäßig über psychoonkologische Fragen berichtet. Die Gründe der Ablehnung will ich hier nicht ausbreiten, wer es genauer wissen möchte, mag hierzu meine Homepage konsultieren. Ich will nur deutlich feststellen, dass die Ablehnung jedenfalls nicht argumentativ durch Fehler in der Sache begründet wurde.
In früheren Zeiten wäre ohne einen Verlag (und die Zustimmung der dort positionierten Gatekeeper) damit die Arbeit zunichte gemacht und in der Schreibtischschublade verstaubt. Demgegenüber besteht im Zeitalter der weltweiten Vernetzung und der einfachen Möglichkeit, vom eigenen Schreibtisch aus druckfähige Vorlagen anzufertigen, nun die Gelegenheit, die Ergebnisse der eigenen Arbeit dennoch der Öffentlichkeit anzubieten.
Wen mein Ansatz zur Personalabschätzung interessiert, der nach den beiden eingangs erwähnten Versorgungsmodellen zu getrennt berechneten Anhaltszahlen kommt, der findet unter diesem Link das nur leicht veränderte Manuskript, das ich im Sommer diesen Jahres vergeblich zur Veröffentlichung eingereicht hatte.
Ich finde es gut, ein passendes Maß an Psychologie auszuloten. Auch bei Sinnvollem bringt noch mehr davon nicht immer noch mehr Vorteile (und das ohne Nachteile). Wenn man selbst in dem Bereich arbeitet, ist es ja etwas schwieriger, diesbezüglich begründete Überlegungen anzustellen und mir gefällt es, dass der Autor das tut.