Die meisten Menschen empfinden es als unangenehm, eine Stoffmaske im Gesicht zu haben. Aussagen von Wirtschaftsminister Glawe aus Mecklenburg-Vorpommern, man könne demnächst auf Masken beim Einkaufen verzichten, erhielten dementsprechend große Resonanz. Allerdings machten Kanzlerin und Gesundheitsminister sehr schnell klar, dass Masken nach wie vor getragen werden müssen.
Nicht erst jetzt stellt sich die Frage, ob selbstgenähte Stoffmasken überhaupt etwas nützen.
Zum Glück hat sich die Wissenschaft inzwischen mit diesem Thema beschäftigt. Forscher aus verschiedenen Fachbereichen haben mit unterschiedlichen Methoden die Wirksamkeit von Masken untersucht. Sie kommen zu dem Schluss, dass Masken einen wichtigen Beitrag zur Bekämpfung der Pandemie leisten können.
Jede Corona-infizierte Person entlässt beim Ausatmen und Sprechen winzige virusbeladene Sekrettröpfchen aus den Atemwegen in die Umgebung. Personen in der Nähe können diese Partikel einatmen und sich dadurch anstecken. Gesichtsmasken mit ihrer Barrierefunktion verringern diese Gefahr, denn ausgeatmete Tröpfchen bleiben zu einem großen Teil im Gewebe der Maske hängen.
Quelle: Prather, K. A. et al., Science 2020, DOI: 10.1126/science.abc6197 (mit freundlicher Genehmigung des Verlags)
Wie gut dieser Mechanismus funktioniert, haben Biotechnologen aus Chicago im Laborexperiment untersucht. Dabei überprüften sie unterschiedliche Stoffqualitäten, wie Baumwolle, Seide, Flanell oder Chiffon. Die Labor-Masken sollten unterschiedlich große Partikel möglichst vollständig zurückhalten. Je nachdem, wie dicht der Stoff gewebt war, oder ob nur eine Lage Stoff oder mehrere übereinander als Barriere dienten, waren die Masken unterschiedlich gut wirksam. Mehrlagige Stoffe waren sehr effektiv, insbesondere solche mit dicht gewebter Baumwolle. Mit Kombinationen von Baumwolle/Seide oder Baumwolle/ Chiffon konnten mehr als 80 % der Tröpfchen zurückgehalten werden. Zum Vergleich setzten die Forscher auch chirurgische Masken ein, wie sie von Ärzten benutzt werden. Dabei schnitten die besten Stoffmasken ähnlich gut ab wie chirurgische Masken. Das Fazit der Forscher war, dass Gesichtsmasken aus geeigneten Stoffen einen maßgeblichen Schutz gegen die Verbreitung von Flüssigkeitströpfchen bieten.
Einen ganz anderen Ansatz verfolgten Maschinenbauingenieure aus Florida. Sie simulierten im Labor Niesen und Husten und analysierten, wie weit die Tröpfchen dabei in der Umgebung verteilt werden. Danach setzten sie dem Kunststoff-Kopf unterschiedliche Masken auf und fotografierten die Verteilung der Tröpfchen nach dem Husten. Ohne Bedeckung wurden die Partikel bis zu 2,4 m weit in die Umgebung ausgestoßen. Durch eine Maske aus elastischem T-Shirt-Stoff mit geringer Gewebedichte legten die Tröpfchen beim Husten noch 109 cm zurück. Die Barrierefunktion eines Stofftaschentuchs aus Baumwolle reichte etwa 48 cm weit. Viel effektiver war eine genähte Maske aus Baumwollstoff. Sie sorgte dafür, dass die Tröpfchen nur bis zu 6 cm weit in die Umgebung gelangten. Damit war die Stoffmaske sogar wirksamer als eine kommerziell in Apotheken erhältliche Gesichtsmaske. Fotos, die unmittelbar nach dem Husten aufgenommen wurden, verdeutlichen die Flüssigkeitsverteilung. Die Abbildung zeigt die Wirkung einer genähten Baumwollmaske, und zwar vor Auslösen des Hustenstoßes (a) und 0,2, 0,47 bzw. 1,68 Sekunden danach (b-d).
Zwar wird ein Teil der Tröpfchen an der Oberkante der Maske in Richtung Stirn geschleudert (b), weil die Maske dort nicht ganz dicht anliegt. Die Maske verhindert jedoch weitgehend, dass Tröpfchen nach vorne ausgestoßen werden (d). Damit hat diese Forschergruppe einen überzeugenden Nachweis für die Wirksamkeit von Stoffmasken erbracht.
Auch Ökonomen haben sich mit dem Nutzen von Masken beschäftigt. Sie wählten die Stadt Jena als Modell. Jena hatte einen Sonderweg beschritten, denn hier führte man die Maskenpflicht bereits am 6. April ein, also drei Wochen früher als in den meisten anderen Regionen in Deutschland. Die öffentlichkeitswirksame Kampagne »Jena zeigt Maske« startete sogar schon am 30. März. Die Forscher identifizierten zum Vergleich deutsche Städte und Landkreise mit ähnlichen Charakteristika wie Jena und konstruierten daraus ein »synthetisches Jena«. Ausgehend von ursprünglich 142 Infektionen in Jena am 6. April wurden in den folgenden 20 Tagen nur 18 neue Covid-Infektionen beobachtet, während in der synthetischen Stadt 62 Neuinfektionen auftraten. Der Anstieg innerhalb von drei Wochen betrug in Jena also 13 %, während die Infektionszahlen in der Vergleichsstadt um 44 % zugenommen hatten, nämlich von 143 auf 205 Fälle. Für Jena ergaben sich also dreimal weniger Neuinfektionen als für die Kunststadt, ein beträchtlicher Unterschied.
Die Autoren bewerten die Maskenpflicht als wichtigen Baustein zur Eindämmung von Covid-19, der kosteneffektiv und demokratieverträglich ist und die Ökonomie wenig schädigt.
Zu guter Letzt noch ein Beispiel aus der Praxis. In Missouri hatte ein Friseur-Salon diverse Maßnahmen zum Schutz vor Corona-Übertragung ergriffen. Dazu gehörten auch Gesichtsmasken, die sowohl Mitarbeiter als auch Kunden tragen mussten. Nachdem bei zwei Friseuren eine Corona-Infektion entdeckt worden war, wurden 140 Kunden, die an den maßgeblichen Tagen im Salon gewesen waren, in Quarantäne geschickt, ebenso wie alle Mitarbeiter. Kostenlose Coronavirus-Tests wurden angeboten. Von den 46 getesteten Personen war keine einzige infiziert, und keine Person in Quarantäne erkrankte. Das Gesundheitsamt konnte abschließend keine einzige Übertragung im Salon feststellen. Die Ärzte meinen, dass die Masken wesentlich dazu beigetragen haben, Kunden und Mitarbeiter vor der Infektion zu schützen.
Wenn Wissenschaftler aus unterschiedlichen Disziplinen mit ihren jeweiligen Methoden zu ähnlichen Resultaten und Schlussfolgerungen kommen, unterstützt das die Verlässlichkeit der Ergebnisse. Die genannten Studien belegen den Nutzen von Stoffmasken, die im Alltag getragen werden. In Corona-Zeiten sollten wir Stoffmasken genauso selbstverständlich verwenden wie den Sicherheitsgurt, der uns beim Autofahren vor Unfallfolgen schützt.
Vielen Dank für diesen klaren und gut recherchierten Artikel, dem ich eine große Verbreitung wünschen würde. Leider wurde in Deutschland die Maske erstmal ziemlich schlecht gemacht und entsprechend schwierig ist es jetzt, sie wieder zu rehabilitieren.