Übergewicht und insbesondere starkes Übergewicht (Adipositas) gelten seit mehr als 20 Jahren als ein immer wichtigeres Gesundheitsproblemen von Bevölkerungen in wohlhabenden Gesellschaften sowie Schwellenländern. Die WHO warnte schon zu Beginn dieses Jahrhunderts in einem weltweit beachteten Bericht vor einer „Epidemie“ des Übergewichts mit gravierenden Auswirkungen auch auf die Gesundheitssysteme.
Zugleich treten auf lange Sicht erfolgreiche Therapiemaßnahmen überwiegend auf der Stelle. Zwar existieren unterschiedlich effektive Methoden, mit denen man einen Gewichtsverlust erzielen kann, dieser wird kann aber zumeist nicht auf Dauer gehalten.
Mittlerweile hat die chirurgische Adipositastherapie einen immer größeren Stellenwert in der Behandlung der ausgeprägten Adipositas erlangt und sich in zahlreichen Studien als eine Maßnahme bewährt, mit der ein deutlich geringeres Gewicht auch auf Dauer gehalten werden kann.
Im New England Journal of Medicine, einer der weltweit angesehensten medizinischen Fachzeitschriften, wurde unlängst eine wichtige Langzeitstudie der Universität Göteborg, Schweden, veröffentlicht. Sie befasst sich systematisch mit der Frage, ob sich eine chirurgische Behandlung bei Adipositas auch positiv auf die Lebenszeit auswirkt.
In die Studie eingeschlossen untersucht wurden drei Gruppen: Erstens 2007 Patienten, die eine chirurgische Behandlung erhalten hatten, zweitens 2040 Patienten mit Adipositas, die aber ausschließlich konventionell, also nicht chirurgisch behandelt wurden, und drittens 1135 Kontrollpersonen, die keine Adipositas hatten. Die dritte Gruppe diente dazu, die normale Todesrate im vorgegebenen Zeitfenster abzubilden.
Dieses Zeitfenster betrug immerhin 20-24 Jahre, was für sich genommen schon beachtlich ist und erst recht mit Blick auf die Größe der Studie (über 5000 aufgenommene Teilnehmer). Trotz dieses weiten Zeitfensters kam es zu fast keinen Fehlern bei der Nachverfolgung, sodass für 99,9 % der Teilnehmer auch Daten zum eventuellen zwischenzeitlichen Versterben ausgewertet werden konnten.
Bei den Ergebnissen zeigte sich nun ein recht deutliches Plus für adipöse Patienten, die sich einer operativen Magenverkleinerung unterzogen hatten. Denn wer bloß die konventionelle Therapie der Adipositas betrieben hatte, hatte eine um drei Jahre kürzere Lebenszeit. Andererseits zeigten die schwedischen Daten auch, dass im Vergleich zu den Menschen der Kontrollgruppe (Gruppe 3) selbst die Patienten mit chirurgischer Adipositasbehandlung noch eine deutlich schlechtere Lebenserwartung hatten. Diese war nämlich um mehr als fünf Jahre geringer als bei Menschen, die keine gravierenden Gewichtsprobleme hatten.
Als eine wichtige Randnotiz für Menschen, die sich wegen ihres starken Übergewichts konkret mit der Frage einer chirurgischen Behandlung befassen, ist aus der schwedischen Studie auch erwähnenswert, dass die postoperative Sterblichkeit bei 0,2 % lag. Das heißt, auf 500 Operationen am Magen kam ein Patient, der unter der Operation oder im unmittelbaren Zusammenhang mit der Operation verstorben ist. Insgesamt hatten sich in der schwedischen Studie 2,9 % der Patienten einer erneuten chirurgischen Behandlung unterziehen müssen.
Fazit: Die chirurgische Adipositasbehandlung ist nicht nur, wie man bereits längere Zeit wusste, der konventionellen Behandlung im Hinblick auf das Kriterium des erzielten Gewichtsverlustes überlegen. Sie scheint sich auch hinsichtlich der Sterblichkeit beziehungsweise der Lebenszeit auszuzahlen. Der Vergleich mit Normalwerten zeigt in dieser Langzeitstudie aber auch, wie dringend bedeutsam der Kampf gegen (starkes) Übergewicht ist, denn die Effekte des Übergewichts auf vorzeitige Sterblichkeit sind in jedem Fall erheblich, also mit und ohne chirurgische Adipositasbehandlung.
EINE GEWICHTIGE NATION
Die Deutschen haben Übergewicht,
Es drohen Diabetes und Gicht.
In uns’rer unendlichen Freiheit
Sind wir frei jeder Enthaltsamkeit.
Wir lieben süße Getränke,
Abends das Bier in der Schänke.
Die vielen Burger und Muffins
Fordern sichtbar ihren Zins.
Im ungebremsten Autowahn
Wird kaum ein Schritt zu Fuß getan.
In der digitalisierten Welt
Sind die Weichen auf Sitzen gestellt.
Medienkonsum ohne Pause,
Stress in Beruf und zu Hause;
Am Ende steht die große Zahl
Von Herzinfarkt und Schlaganfall.
Es ist höchste Zeit zu handeln,
Uns’ren Lebensstil zu wandeln;
Etwas Disziplin und Vernunft
Für eine leichtere Zukunft.
Rainer Kirmse , Altenburg
Herzliche Grüße aus Thüringen
Sehr geehrter Herr Kirmse! Besten Dank für Ihre gereimte Mahnung. Sie haben Recht, dass die Verhaltensmuster, die wir massenhaft erlernt haben, perfekt angepasst sind an eine Überflussgesellschaft (und diese wiederum die perfekte Antwort auf unersättliches Bedürfnis nach Kapitalverwertung). Allein, weder die menschliche Natur noch die sonstige uns umgebende Natur lassen sich so zurechtbiegen, wie wir Menschen es auf kultureller Ebene können und – durch unser Leben in einer solchen Gesellschaft – praktizieren. Wir sind eben auch Natur, und das rächt sich im Kleinen wie im Großen – dort übrigens mittlerweile auch für besonders „kurzsichtige“ Menschen nicht mehr zu übersehen. Und es rächt sich eben auch an den Menschen, die immer schwerer werden.
Aber das Problem Adipositas, und hier zumal das der extremen Adipositas, ist leider komplizierter als es Ihr Hinweis auf Vernunft und Selbstdisziplin anklingen lässt. Anders gesagt gibt es leider gar keinen Beleg für die darin anklingende Unterstellung, es habe derjenige, der besonders arges Übergewicht hat, mit umso größerer Sicherheit Vernunft und Selbstdisziplin gröblich missachtet. Das ist gerade jene moralische Abwertung, die den übermäßig schweren Menschen das Leben (noch) schwerer macht, weshalb die reaktiven seelischen Probleme bei stark übergewichtigen Menschen weit verbreitet sind.
Es ist vermutlich gerade umgekehrt: für die massenhafte leichte Übergewichtigkeit trifft das Gereimte am meisten zu, während zur Erklärung der besorgniserregenden Gewichte, die bei manchen Menschen heute auf die Waage kommen, weitere (und andere) Faktoren eine Rolle spielen dürften.