Die Redewendung ist ja einigermaßen geläufig, dass man den Splitter im Augen der anderen sehe, aber den Balken im eigenen, den sehe man nicht.
An diese Alltagsweisheit musste ich denken, als ich vor einiger Zeit die Nachricht las von den Aktivitäten zur Vermeidung einer Kollision der Erde mit einem Kometen, indem man diesen im All beschießt, um so dessen Umlaufbahn zu ändern. Die Nachricht nahm übrigens Bezug auf die desaströsen Folgen des letzten großen Kometenschadens auf der Erde, der nach dem, was man heute weiß, in ursächlichem Zusammenhang mit dem Aussterben der Saurier und überhaupt dem letzten erdgeschichtlichen Massensterben gewesen ist.
Da hat man also auf der Erde und in der NASA die Sorge, es könne sich dergleichen wiederholen. Tut es auch, genauer, es ist schon in vollem Gange! Nur, dass der Komet schon längst eingeschlagen hat, und dass dieser Komet, der das erdgeschichtlich nächste Massensterben verursacht, wir selber sind! Dass wir selbst das Problem sind, das wir stets außen erwarten, ist in dem Hinweis auf Splitter und Balken mitgedacht.
Mit dem zu vermeidenden nächsten Massensterben, das dann ein von Menschen gemachtes sein wird, bin ich bei dem Punkt, der hier in die Nähe einer Rezension kommt, ohne dass es eine ist, nämlich mein Hinweis auf das Buch von Matthias Glaubrecht zum Massensterben im Anthropozän. Ich habe das voluminöse, tausendseitige Werk mit dem Titel “Das Ende der Evolution” bislang noch nicht gelesen, insofern verbietet sich eine Rezension. Aber die Argumentation ist mir durch einen sehr dichten Buchbeitrag bekannt, den derselbe Autor für einen Sammelband verfasst hat, in dem es primär um die Frage geht, ob es zur Rettung der Welt nicht der Einrichtung von Rechten für die Natur bedarf, die damit also gewissermaßen in den Stand versetzt würde, gegen die Menschen die “eigenen” Interessen einzuklagen. Was auf den ersten Blick ziemlich verschroben und exotisch klingt, ist bei genauerer Lektüre übrigens durchaus erwägenswert und interessant.
Und es dürfte eine Diskussion über “Rechte für die Natur” ganz auf der Linie dessen liegen, was Glaubrecht in seinem Buch über das Massensterben als kleinen Notausstieg vor dem endgültigen ökologischen Zusammenbruch sieht, in den unweigerlich dann auch der Mensch als nicht über der Natur stehend, sondern in sie eingewoben, mit hineingezogen werden würde oder wird. In der Logik unserer biologischen Natur liegt, so Glaubrecht, sich ähnlich wie die Heuschrecken so weit durch Plünderung der Umgebung zu vermehren, bis es zum Zusammenbruch der Population, also zu verheerenden Opfern kommt. Wenn, ja wenn es dem Menschen nicht gelingt, sein kognitives Potential zur Rettung aus dem drohenden Unheil zu aktivieren, also über die kurzsichtige, biologische Logik einer Heuschrecke hinauszuwachsen und das zu hegen und zu pflegen, was aus egoistischem Impuls zu gerne ausgeplündert würde.
“Rechte für die Natur” könnte eine Dimension dieser kognitiven Überwindung eines Menschentums sein, das sich zwar als Krone der Schöpfung dünkt, aber derzeit allem Anschein nach in den Fußstapfen von Heuschrecken unterwegs ist und wie diese zu enden droht. Religionen könnten eine andere Dimension bilden, die ja durchaus den Gesichtspunkt des Bewahrens (der Schöpfung) kennen bzw. die Heiligkeit alles Seins, an dem sich der Mensch (animalisch) schuldig macht – und eben deshalb zur Selbstbeschränkung tendieren müsste (wenn, ja wenn es da nicht ökonomische Treiber gäbe, die in der Neuzeit gerade das Gegenteil vorschreiben und hervorbringen).
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